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Der Sittenwidrige Erbverzicht – Eine rechtliche Analyse am Beispiel des OLG Hamm

Das Oberlandesgericht Hamm hat mit seinem Urteil vom 08.11.2016 (Az. 10 U 36/15) wichtige Maßstäbe zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit von Erbverzichtsverträgen gesetzt. Dieses Urteil gibt uns Einblick, unter welchen Umständen ein Erbverzicht als sittenwidrig angesehen werden kann, insbesondere wenn die zugrundeliegende Vereinbarung ein erhebliches Ungleichgewicht zu Lasten des Verzichtenden aufweist.

Was war der Gegenstand des Falls?

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger, ein junger Erwachsener, kurz nach Erreichen der Volljährigkeit in einer notariell beurkundeten Erklärung auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet. Als Gegenleistung sollte er unter bestimmten Bedingungen einen Sportwagen erhalten. Der Kläger erklärte den Verzicht für nichtig und forderte die Anerkennung dieser Nichtigkeit, da er die Vereinbarung unter dem Einfluss seines Vaters und ohne ausreichendes Verständnis der langfristigen Konsequenzen unterzeichnet hatte.

Was sagt das Gesetz zu Erbverzichten?

Ein Erbverzicht muss nicht nur rechtlich korrekt durchgeführt werden, sondern auch den allgemeinen sittlichen und rechtlichen Normen entsprechen, die in § 138 BGB verankert sind. Ein Erbverzicht, der das Gerechtigkeitsempfinden der Allgemeinheit verletzt, kann als sittenwidrig eingestuft werden.

Wann ist ein Erbverzicht sittenwidrig?

Das Gericht stellte fest, dass der Erbverzicht des Klägers sittenwidrig war, da er:
1. Unter erheblichem Druck und ohne angemessene Überlegungszeit zustande kam.
2. Unverhältnismäßige Bedingungen stellte, die den Kläger in seiner Lebens- und Ausbildungsplanung unzumutbar einschränkten.
3. Die Unerfahrenheit und jugendliche Beeinflussbarkeit des Klägers ausnutzte, indem ihm ein sportliches Traumauto als Lockmittel präsentiert wurde.

Beispiele für die Anwendung von § 138 BGB im Kontext von Erbverzichten

1. Fallbeispiel eines übermäßig benachteiligenden Verzichts

 

Ein Erbverzicht, der im Gegenzug nur eine geringfügige oder unter sehr schwer zu erfüllenden Bedingungen stehende Leistung verspricht, könnte als sittenwidrig angesehen werden.
  
2. Fallbeispiel einer unangemessenen Einflussnahme

 

Ein Erbverzicht, der unter Ausnutzung der psychischen Abhängigkeit oder unter Täuschung über wesentliche Umstände zustande kommt, ist möglicherweise nichtig.
  
3. Fallbeispiel eines Verzichts ohne angemessene Gegenleistung

 

Ein Erbverzicht, der keine oder eine absolut unverhältnismäßige Gegenleistung beinhaltet, könnte die Lebensplanung des Verzichtenden in ungerechtfertigter Weise beeinträchtigen.

Praktische Tipps

- Beratung suchen: Vor dem Abschluss eines Erbverzichts sollte immer eine rechtliche Beratung eingeholt werden. Dies ist besonders wichtig, um die langfristigen Folgen und die Fairness der Vereinbarung zu bewerten.
- Verständnis sicherstellen: Alle Parteien sollten den vollständigen Inhalt und die Konsequenzen des Vertrags verstehen. Unklarheiten sollten vor der Unterzeichnung geklärt werden.
- Angemessenheit prüfen: Die Gegenleistung für einen Erbverzicht muss angemessen sein und sollte nicht zu einer unzumutbaren Einschränkung der persönlichen oder beruflichen Freiheit führen.

Fazit

Das Urteil des OLG Hamm unterstreicht die Notwendigkeit, Erbverzichtsverträge fair und ausgewogen zu gestalten. Es zeigt, dass Gerichte bereit sind, solche Vereinbarungen aufzuheben, wenn diese nicht ausgewogen vereinbart sind.

 


Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht / (Zertifizierter) Testamentsvollstrecker (AGT)

Christian Keßler
(Diese Informationen erfolgen nicht im Rahmen eines konkreten Vertragsverhältnisses. Der Verfasser übernimmt keinerlei Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Haftungsansprüche gegen den Verfasser, welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind grundsätzlich im weitest zulässigen Rahmen ausgeschlossen.)

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Mi, 31. Juli 2024

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