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Der Umgang mit Pflichtteilsentziehung im Lichte eines Urteils des OLG Stuttgart

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in einem interessanten Fall (Beschluss vom 24.01.2019, Az. 19 U 80/18) entschieden, dass Diebstahl von Bargeld durch einen Pflichtteilsberechtigten eine Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB rechtfertigen kann. Dieses Urteil bietet wichtige Einblicke in die rechtlichen Überlegungen, die Erblasser und Berechtigte in Betracht ziehen sollten.

Was war der Kern des Falls?

Im konkreten Fall wurde der Kläger, ein Enkel der Erblasserin, rechtskräftig wegen Diebstahls von Bargeld in erheblicher Höhe zu einer Geldstrafe verurteilt. Aufgrund dieser Tat entzog die Erblasserin in einem Erbvertrag ihrem Enkel den Pflichtteil, da sie den Diebstahl als schweres vorsätzliches Vergehen ansah.

Welche Bedeutung hat der Diebstahl für die Pflichtteilsentziehung?

Nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann ein Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil entziehen, wenn dieser sich eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen ihn schuldig macht. Im vorliegenden Fall sah das Gericht den nachgewiesenen Diebstahl als ausreichenden Grund für die Entziehung an. Die Schwere des Vergehens wird hierbei nicht nur durch die Straftat selbst, sondern auch durch die daraus resultierende Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Erblasser und Berechtigtem bewertet.

Wann liegt keine Verzeihung vor?

Interessanterweise argumentierte der Kläger, dass seine Großmutter ihm die Tat verziehen habe, da er viele Jahre nach der Tat mit ihr unter einem Dach lebte. Das Gericht fand jedoch keine ausreichenden Beweise dafür, dass eine echte Verzeihung im Sinne von § 2337 BGB stattgefunden hatte. Die bloße Fortsetzung des Zusammenlebens oder das Fehlen weiterer negativer Äußerungen seitens der Erblasserin wurde nicht als ausreichender Beweis für eine Verzeihung angesehen.

Was bedeutet dies für Erblasser und Pflichtteilsberechtigte?

1. Dokumentation und klare Kommunikation

Erblasser sollten Gründe für eine Pflichtteilsentziehung klar und unmissverständlich dokumentieren und idealerweise rechtlichen Rat einholen, um sicherzustellen, dass ihre Anordnungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

2. Überlegungen zur Verzeihung

Pflichtteilsberechtigte, die glauben, dass eine Verzeihung stattgefunden hat, müssen dies durch eindeutige Handlungen oder Aussagen des Erblassers belegen können. Die bloße Abwesenheit von Konflikten oder das gemeinsame Wohnen sind oft nicht ausreichend.

3. Rechtliche Beratung suchen

Sowohl Erblasser als auch Berechtigte sollten rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, wenn es um die Frage der Pflichtteilsentziehung geht, besonders in komplexen Familienverhältnissen oder bei größeren Vermögenswerten.

 


Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht / (Zertifizierter) Testamentsvollstrecker (AGT)

Christian Keßler
(Diese Informationen erfolgen nicht im Rahmen eines konkreten Vertragsverhältnisses. Der Verfasser übernimmt keinerlei Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Haftungsansprüche gegen den Verfasser, welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind grundsätzlich im weitest zulässigen Rahmen ausgeschlossen.)

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Mi, 24. Juli 2024

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