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Cannabis-Legalisierung: Was hat sich geändert?

Einführung: Was hat sich geändert?

Am 23. Februar 2024 hat der Bundestag das „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG)“ beschlossen. Überraschenderweise passierte es am 22. März 2024 auch den Bundesrat und trat größtenteils am 1. April 2024 in Kraft. Das Gesetz bringt weitreichende Änderungen im Umgang mit Cannabis mit sich und hat insbesondere im Bereich des Strafrechts wichtige Neuerungen eingeführt. Dieser Beitrag gibt einen umfassenden Überblick über die relevanten Bestimmungen des neuen „Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG)“.

Was bedeutet die Reform für den Besitz, Anbau und Konsum von Cannabis?

Keine Komplettlegalisierung

Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung hat die Reform nicht zur vollständigen Legalisierung von Cannabis geführt. Das Gesetz listet in § 2 Abs. 1 KCanG zwölf Verbotstatbestände auf, die den Umgang mit Cannabis weiterhin grundsätzlich untersagen. Hierzu zählen der Besitz, der Anbau, die Herstellung und der Erwerb von Cannabis sowie das Handeltreiben, die Abgabe und die Einfuhr. Der gewerbliche Umgang mit Cannabis sowie die Verschaffung des Zugriffs auf Cannabis für Kinder und Jugendliche bleibt weiterhin verboten und strafbewehrt (BT-Drucks 20/8704, S. 93). Bei synthetischen Cannabinoiden sind Herstellung und Inverkehrbringen nach dem BtMG weiterhin untersagt (BT-Drucks 20/8704 a.a.O.).

Erlaubter Besitz

Die praktisch wohl wichtigste und weitreichendste Neuregelung brachte § 3 Abs. 1 KCanG: Diese Vorschrift gestattet Erwachsenen nun den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis (bezogen auf das Gewicht nach dem Trocknen) zum Eigenkonsum. Auch der Erwerb und die Entgegennahme von bis zu 25 Gramm pro Tag bzw. von bis zu 50 Gramm pro Kalendermonat sind nun erlaubt (§ 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG). Das Handeltreiben mit Cannabis bleibt dagegen weiterhin strafbar, gestattet ist lediglich eine begrenzte Weitergabe unter Mitgliedern von Anbauvereinigungen (§ 19 KCanG). Am eigenen Wohnsitz sind nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 KCanG sogar bis zu 50 Gramm und bis zu drei lebende Cannabispflanzen erlaubt. Wichtig hierbei ist, dass bei einer Kombination aus Abs. 1 und Abs. 2 die insgesamt besessene Menge 50 Gramm nicht übersteigen darf (§ 3 Abs. 2 S. 2 KCanG).

Eigener Anbau

Durch die Reform ist nun auch der private Eigenanbau in begrenztem Umfang erlaubt worden. Volljährige dürfen an ihrem Wohnsitz oder an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort bis zu drei Cannabispflanzen gleichzeitig besitzen. Das durch deren Aufzucht gewonnene Cannabis muss jedoch für den gewöhnlichen Eigenkonsum bestimmt sein und darf nicht an Dritte weitergegeben werden (§ 9 Abs. 2 KCanG). Leben mehrere volljährige Personen in einem gemeinsamen Haushalt, so gilt die Obergrenze für jede Person gesondert (BT-Drucks 20/8704, S. 101). Wird die vorgegebene Obergrenze überschritten, besteht die Pflicht, sämtliche über die Anzahl von insgesamt drei hinausgehenden Cannabispflanzen unverzüglich und vollständig zu vernichten, unabhängig davon, ob diese Pflanzen Fruchtstände oder Blüten entwickelt haben oder nicht (BT-Drucks 20/8704 a.a.O.).

Diese Vorstellung des Gesetzgebers, wonach erfahrene Züchter freiwillig Pflanzen vernichten, anstatt diese abzuernten und das hierbei gewonnene Cannabis anschließend zu konsumieren, zeugt – wie einige andere Regelungen des KCanG auch – von einiger Lebensfremdheit. Zumal ein ernstzunehmender Kontrolldruck jedenfalls so lange nicht besteht, bis der Verdacht des Handeltreibens aufkommt und dann strafprozessuale Maßnahmen möglich sind. Unterhalb dieser Schwelle ist eine Art polizeiliche oder ordnungsbehördliche „Präventivnachschau“ in Privatwohnungen nicht zulässig. Der Gesetzgeber scheint aber ohnehin allenfalls bedingt willens gewesen zu sein, sich mit der Frage einer Umsetzbarkeit der neu geschaffenen Vorschriften zu befassen.

Dies zeigt sich auch an § 10 KCanG, der – bußgeldbewehrt (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 KCanG) – zum Schutz vor dem Zugriff durch Dritte, insbesondere Kinder und Jugendliche, nicht näher bezeichnete „geeignete Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen“ verlangt, ohne solche auch nur im Ansatz zu definieren. Der Gesetzesbegründung lässt sich immerhin entnehmen, dass der Gesetzgeber hier an eine Aufbewahrung in kindersicheren Behältnissen oder in gegen Zutritt bzw. Zugriff gesicherten Räumen und Schränken gedacht hat. Nachdem verbotene Bereiche auf Kinder und Jugendliche seit jeher eine besondere Faszination ausüben, darf indes bezweifelt werden, ob dies dem vom Gesetzgeber behaupteten Ziel, den Kinder- und Jugendschutz stärken zu wollen (BT-Drucks 20/8704, S. 1), tatsächlich dienlich ist. Zudem steht die Rechtspraxis angesichts der Unbestimmtheit der Vorschrift vor einem aller Voraussicht nach länger anhaltenden Zustand der Rechtsunsicherheit. Die Frage, wann eine Sicherheitsvorkehrung als „geeignet“ i.S.d. § 10 KCanG angesehen werden kann oder wann sie gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 als „nicht richtig“ eingestuft werden muss, wird erst nach und nach durch die Bußgeldsenate der Oberlandesgerichte (OLG) geklärt werden können. Die im Gesetzgebungsverfahren immer und immer wieder versprochene Entlastung der Gerichte wird sich daher jedenfalls an dieser Stelle bis auf Weiteres nicht einstellen.

Wie wird der gemeinschaftliche Anbau geregelt?

Anbauvereinigungen: Der gemeinschaftliche Anbau ist nur im Rahmen sogenannter Anbauvereinigungen erlaubt. Diese müssen eingetragene nicht-wirtschaftliche Vereine oder Genossenschaften sein, die eine Erlaubnis der zuständigen Behörde benötigen (§ 11 KCanG). Diese Regelung ist sehr bürokratisch und bringt umfangreiche Pflichten und Kontrollen mit sich. So bedarf der gemeinschaftliche Anbau nicht nur einer Eintragung im Vereins- oder Genossenschaftsregister, sondern zudem auch einer Erlaubnis der zuständigen Behörde, die nur auf Antrag erteilt wird. Die bei der Antragstellung zu beachtenden Vorgaben umfassen allein in § 11 Abs. 4 KCanG insgesamt zwölf Punkte. Hinzu kommen umfangreiche Versagungsgründe (§ 12 KCanG), die von den Behörden zu prüfen sind.

Darüber hinaus wird von den Anbauvereinigungen, die bis zu 500 volljährige Mitglieder haben dürfen (§ 16 KCanG), die Befolgung einer Vielzahl von Vorgaben verlangt. So haben sie unter anderem Maßnahmen zur Qualitätssicherung zu ergreifen (§ 18 KCanG), bei der Weitergabe von Cannabis an Mitglieder deren Mitgliedschaft und Alter zu kontrollieren (§ 20 KCanG), die dem Anbau und der Lagerung von Cannabis dienenden Räumlichkeiten gegen Zugriff durch unbefugte Dritte zu sichern (§ 22 KCanG) sowie zu einem umfassenden Jugend- und Gesundheitsschutz beizutragen und ihre Mitglieder zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis anzuhalten (§ 23 Abs. 4 KCanG). Hinzu kommen – wie könnte es anders sein – umfangreiche Dokumentations- und Berichtspflichten (§ 26 KCanG).

All dies verführt regelrecht dazu, sich diesen ebenso bürokratischen wie lebensfremden Regelungen nicht zu unterwerfen und den Anbau stattdessen wie schon vor der Reform heimlich zu betreiben, zumal in Züchterkreisen auch der Wille, sich, wie in § 27 KCanG vorgesehen, regelmäßigen Kontrollen der zuständigen Behörden zu unterwerfen, nicht allzu stark ausgeprägt sein dürfte, erst recht, wenn vergleichbare Kontrollen im privaten Bereich nicht möglich sind.

Wo ist der Konsum von Cannabis verboten?

Konsumverbote: Der Konsum von Cannabis ist in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen und in bestimmten Einrichtungen wie Schulen und Kinderspielplätzen verboten (§ 5 KCanG). In Fußgängerzonen gilt ein Konsumverbot zwischen 7:00 und 20:00 Uhr. § 5 KCanG verbietet in Abs. 1 zunächst den Konsum in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen. Unmittelbare Gegenwart bedeutet hierbei eine zu einer konkreten Gefährdung des Minderjährigen führende gleichzeitige, vorsätzliche enge körperliche Nähe des Konsumenten zu einem oder mehreren Kindern oder Jugendlichen am gleichen Ort oder in unmittelbarer räumlicher Nähe (BT-Drucks 20/8704, S. 97). Ein Verstoß hiergegen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 36 Abs. 1 Nr. 4 KCanG).

Wann die körperliche Nähe als „eng“ anzusehen ist, bleibt offen und wird erst durch die Praxis geklärt werden müssen. Relativ einfach zu bejahen sein wird dieses Tatbestandsmerkmal bei einer Zusammenkunft mehrerer Personen in einer kleinen Wohnung oder gar in einem einzelnen Zimmer. Wie es sich hingegen etwa bei einer Veranstaltung in einem prall gefüllten Jugendhaus verhält, wird sich erst noch zeigen müssen. Absehbar ist aber, dass allgemeingültige Aussagen hierzu schwer zu treffen sein werden; vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen in hohem Maße von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles abhängig sein wird.

Weiter enthält § 5 Abs. 2 KCanG eine Aufzählung von insgesamt sechs als besonders sensibel eingestuften Einrichtungen und Bereichen, in denen der Konsum von Cannabis ebenfalls verboten ist. Mit diesen sogenannten Schutzzonen will der Gesetzgeber Konsumanreize verhindern. Soweit sich diese Verbote auf Schulen, Kinderspielplätze, Jugendeinrichtungen und Sportstätten beziehen, sind sie nachvollziehbar. Für einige Verwunderung sorgt dagegen das in Nr. 5 verankerte Verbot des Konsums in Fußgängerzonen zwischen 7:00 und 20:00 Uhr. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in dieser Zeit in Fußgängerzonen regelmäßig Kinder und Jugendliche anzutreffen seien (BT-Drucks 20/8704, S. 98), was nicht nur angesichts der bei Jugendlichen nicht sehr weit verbreiteten Neigung, morgens allzu früh aufzustehen und sich – Stunden vor Öffnung der Läden – in Innenstädte zu begeben, sondern insbesondere in Anbetracht des Umstands, dass sich Kinder und Jugendliche jedenfalls werktags regelmäßig in der Schule oder in ihrem Ausbildungsbetrieb aufzuhalten pflegen, als nicht sonderlich lebensnah erscheint. Zudem erscheint es im Hinblick auf den Jugendschutz geradezu widersinnig, das Konsumverbot um 20:00 Uhr zu beenden und so gerade jene Zeiten, zu denen sich Jugendliche abends treffen, außen vor zu lassen.

Für zahlreiche Probleme sorgen dürfte auch die praktische Umsetzbarkeit der Regelungen. So sehen die ortsbezogenen Verbote mit Ausnahme des Konsumverbots in Fußgängerzonen vor, dass diese nicht nur an der jeweiligen Einrichtung direkt, sondern auch „in deren Sichtweite“ gelten (§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 – Nr. 4, Nr. 6 KCanG). Bei einem Abstand von mehr als 100 Metern zum Eingangsbereich der Einrichtung soll eine Sichtweite nicht mehr gegeben sein (§ 5 Abs. 2 S. 2 KCanG). Der Abstand ist linear bis zur Eingangstür der jeweiligen Einrichtung zu bemessen (BT-Drucks 20/8704, S. 97). Diese Regelung dürfte in Fällen, in denen die Nichteinhaltung des Mindestabstands substantiiert infrage gestellt werden kann, zu zahlreichen Diskussionen über die Richtigkeit des Messergebnisses und damit zu überaus zähen Beweisaufnahmen vor dem Bußgeldrichter führen. Jedenfalls bieten sich hier für die Verteidigung durchaus interessante Ansätze.

Welche neuen Strafvorschriften gibt es?

Zentrale Strafvorschrift: Die Strafbarkeit richtet sich nun nach § 34 KCanG. Der Besitz und Anbau von nicht erlaubten Mengen Cannabis ist strafbar. Höhere Strafen gibt es für besonders schwere Fälle wie die gewerbsmäßige Tatbegehung oder die Abgabe an Minderjährige (§ 34 Abs. 3 KCanG). Mit Ausnahme des Besitzes bzw. des Anbaus einer nicht mehr erlaubten Menge ist in allen Fällen des § 34 Abs. 1 KCanG der Versuch strafbar. Die Strafvorschriften der §§ 29 ff. BtMG gelten dagegen nicht mehr (BT-Drucks 20/8704, S. 130). Dementsprechend wurde Cannabis auch aus Anlage I zum BtMG gestrichen.

Bei der Bezeichnung der strafbaren Handlungen (Besitz, Anbau, Handeltreiben, Einfuhr, Abgabe usw.) hat sich der Gesetzgeber jedoch an der Terminologie des BtMG orientiert (BT-Drucks 20/8704 a.a.O.), sodass insoweit weiterhin auf die zum BtMG ergangene und ergehende Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Weitreichende Änderungen wie beispielsweise eine engere Auslegung des Begriffs des Handeltreibens sind daher nicht zu erwarten. Zudem enthält § 35 KCanG eine Kronzeugenregelung, die § 31 BtMG entspricht. Auch insoweit verbleibt es bei der bisherigen Rechtsanwendungspraxis.

Die zentrale Strafvorschrift des § 34 KCanG

Eine 1:1-Übertragung der bisherigen Rechtsprechung, insbesondere im Hinblick auf die im jeweiligen Gerichtsbezirk für bestimmte Cannabismengen üblichen „Tarife“ bei der Strafzumessung, verbietet sich jedoch. Denn während § 29 Abs. 1 BtMG Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht, hat der Gesetzgeber es beim Grundtatbestand des § 34 Abs. 1 KCanG, der im Wesentlichen dieselben Handlungen wie bisher erfasst, bei einer Strafe von höchstens drei Jahren belassen.

Besitz einer nicht erlaubten Menge: Steht der Besitz einer nicht mehr von der Erlaubnisnorm des § 3 Abs. 1 KCanG gedeckten Menge Cannabis im Raum, ist zu beachten, dass die Schwelle zur Strafbarkeit nicht bereits bei einer Menge von mehr als 25 Gramm bzw. von mehr als 50 Gramm überschritten ist, sondern erst bei mehr als 30 bzw. mehr als 60 Gramm (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG). Werden die erlaubten Mengen nur geringfügig überschritten, liegt keine Straftat, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit vor (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 KCanG).

Besonders schwere Fälle: § 34 Abs. 3 KCanG sieht höhere Strafen für besonders schwere Fälle vor. Mit drei Monaten bis zu fünf Jahren ist jedoch auch hier ein geringerer Strafrahmen vorgesehen als in § 29 Abs. 3 BtMG. Dort beträgt die Mindestfreiheitsstrafe ein Jahr und die Höchststrafe wird erst durch § 38 Abs. 2 StGB begrenzt.

Regelbeispiele: Insgesamt enthält § 34 Abs. 3 KCanG vier Regelbeispiele, die weitgehend bereits aus dem Betäubungsmittelstrafrecht bekannt sind. Dies gilt insbesondere für die gewerbsmäßige Tatbegehung (§ 34 Abs. 3 Nr. 1 KCanG), insoweit ergeben sich keine Neuerungen. Darüber hinaus stellt es in der Regel einen besonders schweren Fall dar, wenn durch die Tat eine konkrete Gesundheitsgefährdung für mindestens zwei Personen geschaffen wird (§ 34 Abs. 3 Nr. 2 KCanG). Hier hatte der Gesetzgeber insbesondere das Inverkehrbringen von verunreinigtem Cannabis im Blick (BT-Drucks 20/8704, S. 131).

Strafdrohung für Abgabe an Minderjährige: Aus § 29a Abs. 1 BtMG dem Grunde nach bekannt ist auch die erhöhte Strafdrohung für eine Person über 21 Jahre, die Cannabis an Minderjährige abgibt, verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überlässt (§ 34 Abs. 3 Nr. 3 KCanG). Allerdings handelt es sich nicht mehr um einen Verbrechenstatbestand, sodass sich z.B. bei der Abgabe kleiner Mengen anders als in Fällen des § 29a Abs. 2 BtMG nicht mehr die Frage nach einem minder schweren Fall stellt. Stattdessen wird allerdings sorgfältig zu prüfen sein, ob im Einzelfall nicht die Indizwirkung des Regelbeispiels entfallen muss.

Nicht geringe Menge: Darüber hinaus taucht auch die aus dem BtMG hinlänglich bekannte nicht geringe Menge im neuen Recht auf, und zwar in § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG. Auch insoweit erfolgte allerdings eine Herabstufung vom Verbrechen zu einem Vergehen und damit einhergehend eine Absenkung der Höchststrafe von 15 Jahren auf fünf Jahre. Hiervon dürften insbesondere Täter, denen eine Bandenmitgliedschaft nicht nachgewiesen werden kann (dann fiele die Tat unter § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG), deutlich profitieren; die künftig zu verhängenden Strafen werden bei weitem nicht mehr die Höhe erreichen wie im alten Recht. Auch im Hinblick auf den Grenzwert, ab dessen Erreichen die Schwelle zur nicht geringen Menge überschritten ist, kommt es möglicherweise zu Änderungen.

Grenzwert für die nicht geringe Menge: Der Gesetzgeber hat zum Ausdruck gebracht, dass an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge von mindestens 7,5 Gramm THC nicht festgehalten werden soll, und dies mit einem Hinweis auf die geänderte Risikobewertung im Umgang mit Cannabis begründet (BT-Drucks 20/8704, S. 132). Dies ist angesichts der mit dem CanG vorgenommenen teilweisen Legalisierung des Besitzes und des Anbaus bestimmter Mengen Cannabis im Ansatz nachvollziehbar. Eine kolossale Fehlleistung stellt es allerdings dar, dass der Gesetzgeber auf halber Strecke stehengeblieben ist und der Rechtsprechung zwar eine Erhöhung des Grenzwerts nahegelegt hat, ohne sich dann um dessen exakte Bestimmung zu kümmern. Stattdessen sollen nun die Gerichte einen neuen Grenzwert ermitteln, der aber, so der Wunsch des Gesetzgebers, deutlich höher liegen soll als in der Vergangenheit (BT-Drucks 20/8704 a.a.O.).

Damit droht der Praxis eine erhebliche Rechtsunsicherheit, auch wenn sich der erste Strafsenat des BGH in einer ungewöhnlich schnell veröffentlichten Entscheidung bereits zu der Thematik geäußert und entschieden hat, dass die Grenze zur nicht geringen Menge weiterhin bereits ab 7,5 Gramm THC überschritten ist (BGH, Beschl. v. 18.4.2024 – 1 StR 106/24). Zuvor hatte das OLG Hamburg (Beschl. v. 9.4.2024 – 5 Ws 19/24) in einer Haftbeschwerdeentscheidung dem Gesetzgeber ebenfalls die Gefolgschaft verweigert und am bisherigen Grenzwert festgehalten.

Demgegenüber waren einzelne Instanzgerichte teils deutlich großzügiger: So setzte das LG Braunschweig im dortigen Verfahren 4 KLs 115/23 den Grenzwert auf 40 Gramm THC fest und das LG Freiburg (Urt. v. 5.4.2024 – 17/23 3 KLs 690 Js 3513/23) zog die Grenze bei 80 Gramm THC. Das AG Karlsruhe (Urt. v. 9.4.2024 – 1 Ls 610 Js 32177/23) ging sogar erst dann von einer nicht geringen Menge aus, wenn die gem. § 3 KCanG erlaubte Menge um mehr als das Zehnfache überschritten ist. Diese Entscheidungen sind allerdings größtenteils nicht rechtskräftig und angesichts der Linie des 1. Senats beim BGH dürften Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft durchaus gute Erfolgschancen haben. Ob sich andere BGH-Senate der Auffassung des 1. Senats anschließen werden oder ob nicht irgendwann der Große Strafsenat eine Klärung herbeiführen muss, bleibt abzuwarten.

Qualifikationen für Tathandlungen mit besonderem Gefährdungspotenzial: Schließlich enthält § 34 Abs. 4 KCanG in Nr. 1 bis Nr. 4 Qualifikationen für Tathandlungen mit besonderem Gefährdungspotenzial. Hierzu zählen insbesondere solche, die üblicherweise mit organisierter Kriminalität im Zusammenhang stehen oder besonders kinder- und jugendgefährdend sind. Erfasst sind die gewerbsmäßige Weitergabe von Cannabis an Kinder und Jugendliche (Nr. 1), das Bestimmen Minderjähriger zur Begehung bestimmter Cannabisdelikte (Nr. 2), das bandenmäßige Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge (Nr. 3) sowie das bewaffnete Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge (Nr. 4). Die einzelnen Tatbestände sind an jene im BtMG angelehnt; allerdings sind auch hier angesichts der vom Gesetzgeber vorgenommenen geringeren Risikobewertung hinsichtlich des Verkehrs mit Cannabis die Strafrahmen herabgesetzt worden.

Fahrlässige Handlungen: Aus Gründen des Jugend- und Gesundheitsschutzes (BT-Drucks 20/8704, S. 132) sieht § 34 Abs. 5 KCanG für die meisten Fälle des Abs. 1 auch dann eine Bestrafung vor, wenn der Täter fahrlässig handelt. Die Regelung ähnelt § 29 Abs. 4 BtMG.

Welche Besonderheiten gibt es bei Minderjährigen?

Bei Cannabisverstößen, die von Minderjährigen verübt werden, ist zwischen dem umfassenden verwaltungsrechtlichen Verbot des Umgangs mit Cannabis und den strafbewehrten Verboten zu unterscheiden. Denn während das verwaltungsrechtliche Verbot uneingeschränkt gilt, sind die auf Besitz, Erwerb, Anbau und Weitergabe von Cannabis bezogenen Straftatbestände des § 34 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 6 und Nr. 8 KCanG so ausgestaltet, dass eine Strafbarkeit für Jugendliche erst dann gegeben ist, wenn auch der zulässige Handlungsrahmen für Erwachsene überschritten ist. Wäre also dieselbe Tathandlung bei einem Erwachsenen straflos, etwa weil die besessene Menge 25 Gramm nicht übersteigt, scheidet auch bei Jugendlichen eine Strafverfolgung aus.

Komplett folgenlos bleiben derartige Verstöße allerdings nicht, denn § 7 KCanG sieht Möglichkeiten zu einer sog. Frühintervention vor. Hiernach sind bei Übertretungen zunächst die Personensorgeberechtigten zu informieren (§ 7 Abs. 1 KCanG), damit diese eine mögliche Kindeswohlgefährdung durch aus ihrer Sicht geeignete Maßnahmen abwehren können (BT-Drucks 20/8704, S. 99). Bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Wohls des Minderjährigen, etwa bei Hinweisen auf ein riskantes Konsumverhalten, ist darüber hinaus neben den Sorgeberechtigten auch das Jugendamt zu informieren (§ 7 Abs. 2 KCanG).

Welche Bußgeldtatbestände gibt es?

Weniger schwerwiegende Verstöße gegen das KCanG wie beispielsweise die geringfügige Überschreitung der erlaubten Besitzmengen oder Zuwiderhandlungen gegen einzelne Konsumverbote des § 5 Abs. 2 KCanG werden als Ordnungswidrigkeiten verfolgt. Zentrale Vorschrift ist hier § 36 Abs. 1 KCanG, der insgesamt 37 Bußgeldtatbestände enthält. Die Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldbuße bis zu 10.000 EUR geahndet werden. Für einzelne gewichtigere Ordnungswidrigkeiten sieht § 36 Abs. 2 KCanG Bußgelder bis zu 30.000 EUR vor.

Welche Änderungen gibt es in der Strafprozessordnung (StPO)?

Eine auch nur halbwegs effektive Strafverfolgung im Bereich der Rauschgiftkriminalität ist ohne verdeckte Maßnahmen schlechterdings nicht möglich. Dies schien lange unstreitig zu sein, ehe das im Gesetzgebungsverfahren federführende Bundesgesundheitsministerium in seinem Entwurf zum CanG darauf verzichtete (oder es schlicht versäumte), Verstöße gegen das KCanG in die §§ 100a ff. StPO aufzunehmen. Dies wäre, von wenigen Zufallsfunden abgesehen, einem Ende der Strafverfolgung im Bereich der Cannabiskriminalität gleichgekommen; ohne verdeckte Maßnahmen hätten auch Tätergruppierungen, die hunderte Kilogramm Cannabis nach Deutschland einführen und dabei ebenso gewerbsmäßig wie bewaffnet agieren, die Ermittlungsbehörden nicht mehr fürchten müssen. So weit wollte der Gesetzgeber am Ende dann aber doch nicht gehen, und so wurden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens Änderungen der StPO in das CanG (Art. 13a) aufgenommen, nachdem man auch im Hinblick auf Cannabisdelikte (wieder) zu der Erkenntnis gekommen war, dass eine konsequente Bekämpfung der organisierten Kriminalität gewährleistet sein sollte (BT-Drucks 20/10426, S. 151).

Im Zuge dessen wurden die Qualifikationstatbestände des § 34 Abs. 4 KCanG und die gewerbsmäßige Abgabe von Cannabis an Minderjährige in den Katalog des § 100a Abs. 2 StPO aufgenommen. Damit bleibt die Überwachung der Telekommunikation weiterhin möglich. In Fällen des § 34 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 KCanG kommen zudem auch Online-Durchsuchungen in Betracht; insoweit hat § 100b Abs. 2 StPO eine entsprechende Ergänzung erfahren. Weiter erlaubt eine Änderung des § 100j Abs. 1 S. 3 StPO die Einholung einer Bestandsdatenauskunft.

Beibehalten wurden überdies auch die Eingriffsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden, was Durchsuchungen betrifft. So gilt die gesetzliche Beschränkung für Durchsuchungen zur Nachtzeit nach wie vor nicht, denn § 104 Abs. 2 StPO wurde durch das CanG auf polizeibekannte Schlupfwinkel des unerlaubten Cannabishandels erstreckt.

Schließlich hat der Gesetzgeber auch noch § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO dahingehend ergänzt, dass beim dringenden Verdacht einer Straftat nach § 34 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 3 oder Nr. 4 KCanG der Haftgrund der Wiederholungsgefahr in Betracht kommt.

Was ändert sich im Straßenverkehrsrecht?

Grenzwerte im Straßenverkehr: Gemäß § 44 KCanG erhielt eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr den Auftrag, bis zum 31.3.2024 einen Grenzwert für Tetrahydrocannabinol im Blut vorzuschlagen. Dieser Wert soll basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen festlegen, ab wann das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs nicht mehr gewährleistet ist. Am 28.3.2024 schlug die Expertengruppe vor, den gesetzlichen Wirkungsgrenzwert auf 3,5 ng/ml THC im Blutserum gemäß § 24a StVG festzulegen. Zusätzlich empfahl das Gremium aufgrund der Risiken von Mischkonsum ein absolutes Alkoholverbot für Cannabiskonsumenten, ähnlich der Regelung für Fahranfänger gemäß § 24c StVG. Die Umsetzung dieser Vorschläge durch den Gesetzgeber bleibt abzuwarten.

Änderungen in der Fahrerlaubnis-Verordnung: Artikel 14 CanG führte auch eine Änderung in der Fahrerlaubnis-Verordnung durch. Diese umfasste die Hinzufügung von § 13a FeV, der es der Fahrerlaubnisbehörde nun ermöglicht, bei begründetem Verdacht auf Cannabisabhängigkeit die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens anzuordnen (§ 13a Nr. 1 FeV). Zusätzlich kann die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn zwar kein Hinweis auf Cannabisabhängigkeit im ärztlichen Gutachten vorliegt, jedoch Anzeichen für Cannabismissbrauch bestehen oder andere Fakten die Vermutung von Cannabismissbrauch nahelegen. Dies gilt insbesondere, wenn wiederholt Verstöße im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss begangen wurden, die Fahrerlaubnis aus den genannten Gründen entzogen wurde oder wenn Zweifel bestehen, ob Cannabismissbrauch oder -abhängigkeit nicht mehr vorliegen (§ 13a Nr. 2 FeV). Folglich riskieren Cannabiskonsumenten weiterhin den Verlust ihrer Fahrerlaubnis.

Fazit

Das neue Konsumcannabisgesetz bringt erhebliche Änderungen mit sich, die sowohl den rechtlichen Umgang mit Cannabis als auch die Strafverfolgung betreffen. Es ist wichtig, die neuen Regelungen genau zu kennen und sich entsprechend zu verhalten, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

Ihr Rechtsanwalt und Strafverteidiger

 

Christian Keßler
(Diese Informationen erfolgen nicht im Rahmen eines konkreten Vertragsverhältnisses. Der Verfasser übernimmt keinerlei Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Haftungsansprüche gegen den Verfasser, welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind grundsätzlich im weitest zulässigen Rahmen ausgeschlossen.)

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Veröffentlichung

Sa, 18. Mai 2024

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